Die Nürnberger Kulturläden° feiern 2025 runden Geburtstag: Vor 50 Jahren wurde der erste Kulturladen in der Rothenburger Straße 106 gegründet – der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Heute gibt es zwölf Kulturläden über die ganze Stadt verteilt, die jährlich über 400 000 Menschen erreichen und rund 17 000 Einzeltermine anbieten. Die Kulturläden sind eine Nürnberger „Erfindung“, die auch zunehmend andere Kommunen übernommen haben. Das Jubiläum feiern die Kulturläden mit einer Kulturladen-Expo, einer Audio-Installation, einem Fest am Freitag, 16. Mai, und dem Symposium „Das kann Soziokultur“ am Samstag, 17. Mai, in der Kulturwerkstatt Auf AEG, Fürther Straße 244d.
Kulturelle Grundversorgung, gleichberechtigte Teilhabe und interkulturelles Miteinander, Raum zur Entfaltung der eigenen Kreativität und bürgerschaftliches Engagement – dies sind Kernbestandteile der Nürnberger Kulturläden des Amts für Kultur und Freizeit (Kuf) der Stadt Nürnberg. Mit ihren Angeboten „Kultur von allen für alle“ bilden die Kulturläden ein Netz der kulturellen Vielfalt. „Jeder Kulturladen ist ein kleiner Demokratieleuchtturm in unserer Gesellschaft“, schreibt Oberbürgermeister Marcus König in der Jubiläumspublikation. Die 2. Bürgermeisterin der Stadt Nürnberg, Prof. Dr. Julia Lehner, betont: „Mich begeistert grundsätzlich die schiere, auch thematische Vielfalt an Veranstaltungen in unseren zwölf Kulturläden, spartenübergreifend, für alle einfach zugänglich. Mich begeistert das immer spürbare und große Engagement, mit dem aus den Kulturläden heraus stets neue kulturelle und gesellschaftliche Impulse gesetzt werden.“

Beginn – Aufbau und Innovation
In einer leerstehenden Wohnung in der Rothenburger Straße wurde am 3. Dezember 1975 der erste Kulturladen in Nürnberg eröffnet. Der Begriff des „Ladens“ knüpfte an die damaligen „Tante-Emma-Läden“ an, die nicht nur ein breites Sortiment vorhielten, sondern auch als Orte der Begegnung im Stadtteil dienten. Der Kulturhistoriker und Publizist Prof. Dr. Hermann Glaser (1928-2018), von 1964 bis 1990 Schul- und Kulturreferent der Stadt Nürnberg, war dabei Ideengeber und Treiber. Die Idee, dass Kulturpolitik immer auch Gesellschaftspolitik sei, dass es dringend nötig sei, Kunst und Kultur zu demokratisieren, all das war in Zeiten, in denen die Politik sonst einem eher starren Kulturbegriff folgte, eine kleine „Revolution“, und der Ansatz der „Kultur von und für alle“ etwas komplett Neues. Schnell geriet die junge Kulturladenidee in eine – auch politisch intensiv geführte – Diskussion.
Für den ersten Kulturladen in der Rothenburger Straße wurde eine baufällige Liegenschaft ausgewählt, die finanziellen und personellen Mittel waren so gering, dass kurzerhand im Haus lebende Kunstschaffende als „Mitarbeitende“ rekrutiert wurden. Der Laden erwies sich als voller Erfolg. Die Projekte von den Menschen für die Menschen wurden von der Stadtteilbevölkerung mit Begeisterung aufgenommen, und so wurde in den folgenden Jahren das Kulturladennetz in vielen Stadtteilen erfolgreich ausgebaut. Einfach Machen, Ausprobieren, der Nachbarschaft zuhören, ein offener Ort sein für Kultur und Diskurs – diesem Credo sind die Kulturläden bis heute treu geblieben. 1977 wurden die Kulturläden dem neu gegründeten Amt für Kultur und Freizeit zugeordnet, das heute neben der Stadtteilkulturarbeit vor allem Kulturelle Bildung, Interkultur und Vielfaltsthemen fördert.
Professionalisierung und Verteidigung der Kulturläden
2001 gerieten die Kulturläden massiv unter Druck. Der Anfangsphase folgte eine Phase der Professionalisierung der Arbeit, Finanzen bestimmten Entscheidungen, Organisationsentwicklungen sollten Kulturarbeit strukturieren. Der sogenannte „Ladenkettenbeschluss“ des Stadtrats brachte dann eine solch massive Sparauflage, dass konkrete Schließungen von Kulturläden drohten. Kulturreferent Georg Leipold reagierte mit öffentlichen Hearings in allen Kulturläden. Daran nahmen auch viele Menschen aus den Stadtteilen teil, die ihre Begeisterung und ihren Zuspruch zu den Kulturläden lautstark kundtaten. Schließungen konnten daraufhin abgewendet werden, jedoch kam es zu Zusammenlegungen. So entstand aus dem Kulturladen Bleiweiß und dem Südstadtladen der südpunkt, in dem „KUF im südpunkt“ seither zusammen mit dem Bildungscampus beheimatet ist.
Spardiskussionen blieben stete Begleiter, die Personaldecke angespannt. Gleichzeitig hatte und hat bis heute jeder Kulturladen den Anspruch, Jung und Alt vom Vormittag bis zum Abend, wochentags wie Wochenende mit Programm zu versorgen. Auch wenn die Programmmittel inzwischen überwiegend durch Einnahmen erwirtschaftet werden müssen, löst Kuf seinen kulturpolitischen Auftrag ein, auch Menschen den Zugang zu ermöglichen, die sich keinen Eintritt leisten können, junge Kulturschaffende zu fördern und ein offener konsumfreier Raum für Begegnung zu sein. Dass die Kulturläden heute jährlich rund 17 000 einzelne Termine anbieten, ist auch einem über die Jahrzehnte gewachsenen großen Netzwerk über 500 kooperierender Vereine, Institutionen und Gruppen zu verdanken. Sie tragen dazu bei, die Kulturläden in der Zivilgesellschaft zu verankern.
Von Beginn an haben die Kulturläden ihr Ohr am Stadtteil – sie nehmen Bedarfe auf und setzen diese in kulturelle Angebote um. Relevante Themen wie interkulturelle Öffnung, soziale Gerechtigkeit, Rechte von Frauen, Inklusion, Altersdiskriminierung sowie Nachhaltigkeit spielen sie in die Stadteile hinein. „Diese Themen prägen die Kulturläden heute mehr denn je“, sagt Annette Trümper, Abteilungsleiterin für die Kulturläden im Amt für Kultur und Freizeit. „In unserer Arbeit ist es wichtig, die vielfältigen Bedürfnisse aller Menschen in unserer Gesellschaft zu berücksichtigen, von Kindern über Geflüchtete, Transgender-Personen bis hin zu Hochbetagten und Familien, und dabei die Überschneidungen und gemeinsamen Anliegen zu erkennen und in unsere Angebote zu integrieren.“
Die Pandemie als Zäsur – erster mobiler Kulturladen
Die Corona-Pandemie hat massive Veränderungsprozesse mit sich gebracht und in den darauffolgenden Jahren verstärkten Krisen und Kriege die Unsicherheit in Politik und Gesellschaft. Um nach der Zeit der Isolation wieder Austausch und Begegnung zu fördern, gingen alle Kulturläden unter dem Motto „Auf gute Machbarschaft“ im September 2021 mit einem kulturellen Programm raus in ihre Stadtteile. Auf Plätzen und in Parks kamen sie mit der Stadtgesellschaft ins Gespräch und belebten das gesellschaftliche Miteinander neu. 2022 konnten die Kulturläden das gemeinsame Agieren dank einer Unterstützung der Sparkasse Nürnberg beibehalten und widmeten sich mit der kulturladenübergreifenden Veranstaltungsreihe „11xGRÜN“ zunächst den ökologischen Zielen nachhaltiger Entwicklung.
Ab 2023 stellten die Kulturläden die sozialen Ziele der SDGs (17 UN-Nachhaltigkeitsziele) mit „11xFAIR“ ins Zentrum. So realisierten alle Häuser unter dem Motto „Von der Würde des Menschen“ anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Grundgesetzes 2024 über 400 Veranstaltungen. Erstmalig wurde mit den im Haus agierenden Gruppen und Vereinen ein Commitment erarbeitet und unterzeichnet, das gemeinsam mit den Besuchenden ein öffentliches Bekenntnis für ein friedliches Miteinander, kulturelle Vielfalt, Gleichberechtigung, Toleranz und Respekt darstellte. Auch im Jahr 2025 wird wieder eine gemeinsame Veranstaltungsreihe organisiert. Unter dem Titel „12xDA“ rücken die Kulturläden das gesellschaftliche Miteinander in den Fokus und setzen ein starkes Zeichen für demokratischen Zusammenhalt. Der Name des Mottos impliziert, dass alle zwölf Kulturläden immer als Ansprechpartner verfügbar, eben einfach „da“ sind.
2023 wurden aus elf Kulturläden zwölf. Die KommVorZone ist Nürnbergs erster, komplett CO2-frei agierender Kulturladen, der dank Bühne und technischer Infrastruktur auf Lastenfahrrädern flexibel dort arbeitet, wo es (vor allem in sozial angespannten Quartieren) an fester kultureller Infrastruktur fehlt. Die KommVorZone begleitet mit ihren Kulturformaten auch stadtplanerische Entwicklungen, um der Bevölkerung vor Ort eine Plattform für ihre Anliegen zu bieten und diese als Sprachrohr hinein in die Stadtverwaltung zu vermitteln. 2025 steht bei der KommVorZone der Melanchthonplatz im Fokus, der in den kommenden Jahren neu gestaltet wird. Wie wichtig und notwendig die zentrale Stadtteilkultur ist, wird durch den breiten Zuspruch aus der Bevölkerung für das mobile Konzept der KommVorZone deutlich. Folgerichtig hatte der Stadtrat parteiübergreifend für die Schaffung dieses neuen innovativen Kulturladens gestimmt. Denn Kulturläden sind Brückenbauerinnen, initiieren das Gespräch auch dort, wo es kaum mehr möglich erscheint und bringen Menschen zusammen. Die demokratiefördernde Arbeit der Kulturläden ist für das Gemeinwesen der Stadt ein wichtiger, heute wertgeschätzter Faktor.
„Die Kulturläden sind angesichts der aktuellen Herausforderung mehr denn je in ihrer Kernkompetenz gefragt: Menschen mit Kultur zusammenzubringen, junge Kulturschaffende zu begleiten und einen Raum für Begegnung bereitzustellen. Damit sind sie ein wichtiger Garant für das, was uns in Nürnberg so wichtig ist, ein gutes Miteinander“, so Annekatrin Fries, Leiterin Kuf.
Das Programm
Rund 17 000 einzelne Termine bieten die Nürnberger Kulturläden jährlich an (Stand: 2024). Kindertheaterreihe und Seniorentanz, japanischer Frauenchor, iranische Kulturtage, Afrikafestival, internationaler Frauentreff und Diskussion unter Männern, Workshops zu Fake-News, inklusive Disco, nachhaltige Gründerinnen- und Gründer-Plattform oder Folk-, Blues- und Jazz-Konzerte – das Themenspektrum ist ebenso vielfältig und bunt, wie die Bewohnenden der Stadtteile. Ob in offenen Treffs oder in geschlossenen Gruppen, die Teilnehmenden sollen Selbstwirksamkeit erfahren. Politische Bildung spielt hierbei eine Rolle, ebenso wie Kunst und Kreatives, Gesundheit, Natur und Umwelt. Es gibt fest etablierte Reihen, wie die Blues Jam in Vischers Kulturladen, das Männer Forum im Loni-Übler-Haus, das internationale Frauencafé bei „KUF im südpunkt“, Qi Gong für Seniorinnen und Senioren im Gemeinschaftshaus Langwasser oder die Flamenco Tanzgruppe im Kulturladen Gartenstadt. Parallel hat jeder Kulturladen über die Jahre ein eigenes Profil entwickelt und spiegelt damit die Bedarfe seines Stadtteils wider.
Die Weltmusik- und Klezmerreihe der Villa Leon zieht inzwischen Publikum weit über Nürnberg hinaus nach St. Leonhard, ebenso wie das NueJAZZ Festival Auf AEG oder das Frauenkabarett im Loni-Übler-Haus, bei dem zahlreiche erfolgreiche Kabarettistinnen ihre ersten Bühnenerfahrungen machten. Besonders wichtig sind Nutzungen der Räume durch Vereine, Gruppen und Initiativen ebenso wie die Förderung des kulturellen Nachwuchses. „Wir arbeiten viel über Themen, die die Menschen – auch ohne Worte – verbinden können, wie etwa Tanz: Egal, woher man kommt, alle, die Interesse daran haben, finden hier zusammen“, sagt Annette Trümper. „Unseren Angeboten gemeinsam ist, dass sie niedrigschwellig sind, finanziell wie auch menschlich: Wir sind für alle da.“
Nachbarschaftliche Begegnung findet auch vor der Haustür statt: Jährlich acht Stadtteilfeste unter Federführung der Nürnberger Kulturläden bieten Kunstschaffenden, Vereinen und Initiativen in ihrem Quartier eine Bühne. Ebenso gilt dies für die weit über Nürnberg hinaus beliebten Hinterhof-Flohmärkte, die unter Federführung von Vischers Kulturladen in 39 Quartieren stattfinden. Die Kulturläden versuchen zudem mit originellen aufsuchenden Formaten, die schnell wachsenden Stadtteile abzudecken, ob mit internationalen Foto-Kunstprojekten wie „Inside Out“ auf Hausfassaden 2024 in Röthenbach oder dem mobilen Begegnungssofa für Demokratie 2025 in Langwasser.
Gebündelt wird das Angebot aller Nürnberger Kulturläden vierteljährlich in der Broschüre „Kultur & Freizeit“ und online unter www.kuf-kultur.de.
Die Besucherinnen und Besucher
Rund 400 000 Gäste begrüßen die Kulturläden jährlich. Einer Umfrage unter den Besuchenden aus dem Jahr 2023 zufolge, haben davon mehr als ein Drittel eine internationale Herkunft, ob aus Afghanistan, Iran, Irak, Syrien, der Türkei, der Ukraine oder den EU-Mitgliedsstaaten. Neben einem treuen Stammpublikum können jedes Jahr auch viele Erstbesuchende für die Angebote begeistert werden. Konzerte, Ausstellungen, Theater und Großveranstaltungen wie Stadtteilfeste sind besonders beliebt. Nahezu alle Besuchenden (über 90 Prozent) bewerten die Qualität und auch das Preis-Leistungsverhältnis als ausgezeichnet oder gut. Ein Beweis, dass die Kulturläden hochwertige Veranstaltungen für jeden Geldbeutel anbieten. Weitere Ergebnisse sind auf der Kuf-Website zu finden.
Das Jubiläum
Im Jahr 2025 feiern die Nürnberger Kulturläden das 50-jährige Bestehen mit einem großen Festivalwochenende am Freitag und Samstag, 16. und 17. Mai, in der Kulturwerkstatt Auf AEG. Am Freitag, 16. Mai, zeigen alle zwölf Kulturläden in einer „Kulturladen-Expo“ von 16 bis 19 Uhr, was sie besonders macht. Ab 19.15 Uhr blickt der Festakt auf die Entwicklung der Kulturläden zurück und wagt einen Blick in die Zukunft. Eine Anmeldung ist aufgrund der begrenzten Plätze unbedingt erforderlich online unter https://www.nuernberg.de/internet/kuf_kultur/50_jahre_kulturlaeden.html.
Ab 22 Uhr wird getanzt und gefeiert. Begleitend gewährt von 16. Mai bis 29. Mai die Hörinstallation „KULAMI. Eine Konferenz für alle“ humorvoll Einblicke in den inhaltlichen Diskurs der Kulturläden.
Am Samstag, 17. Mai, findet von 10 bis 17 Uhr das Symposium „Das kann Soziokultur“ statt. Auf Impulsvorträge der Kulturpolitischen Gesellschaft und des Bundesverbands Soziokultur folgt eine Diskussionsrunde lokaler wie überregionaler Kulturvertretender zur Rolle der Soziokultur in der heutigen Gesellschaft. Am Nachmittag können Besuchende in innovativen Workshopformaten aus ganz Deutschland selbst ausprobieren, wie man Haltung mit kulturellen Mitteln zeigen kann.
Zum Festakt erscheint die knapp 200-seitige Jubiläumspublikation, die die Entwicklung der Kulturläden von damals bis heute skizziert, indem sie unter anderem Zeitzeuginnen und -zeugen zu Wort kommen lässt. Sie ist in begrenzter Auflage beim Jubiläumswochenende in der Kulturwerkstatt Auf AEG und beim Amt für Kultur und Freizeit erhältlich. Erst die Unterstützung der Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg hat das Jubiläum „50 Jahre Die Nürnberger Kulturläden°“ in dieser Form möglich gemacht.
Weitere Informationen und Newsletter online unter
www.kulturlaeden.nuernberg.de