Automatisierte Rangierloks für nachhaltige Mobilität

Rangieraufgaben effizient und damit kostengünstig zu gestalten, ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene geht. Ein Forschungsprojekt am Institut für Fahrzeugtechnik (IFZN) der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) hat sich damit befasst, wie eine automatisierte Lokomotive selbstständig Rangieraufgaben im Containerterminal des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven ausführen kann: Erste Tests mit dem Demonstrator, der „Tiger-Lok“, waren erfolgreich.

Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern, ist ein Beitrag zu nachhaltiger Mobilität und zum Erreichen von Klimaschutzzielen. Dazu muss vor allem der ökonomische Nachteil des Schienengüterverkehrs beseitigt werden: Engstellen und wesentliche Kostentreiber sind Rangieraufgaben, bei denen Züge in Bahnhöfen, Güterverladeterminals oder im Depotbereich zusammengestellt, getrennt oder auf die gewünschten Gleise verschoben werden. Sie machen bis zu einem Drittel der gesamten Transportkosten aus, denn sie sind personal- und zeitintensiv. „Diese Rangieraufgaben sind derzeit durch manuelle Tätigkeiten geprägt, wie beispielsweise das An- und Abkuppeln von Güterwägen, die Zusammenstellung der Wagenreihung, die Gleis- und Umfeldbeobachtung beim Rangieren sowie die Verständigung zwischen Triebfahrzeugführer, Rangier- und Stellwerkspersonal“, erklärt Prof. Dr.-Ing Christina Singer, Projektleiterin an der Ohm innerhalb des Projekts „RangierTerminal 4.0“, einem Verbundvorhaben des IFZN mit weiteren Kooperationspartnern. Weitere Herausforderungen beim Umsetzen von Rangieraufgaben seien die Abstimmung zwischen Stellen, deren Informationsstände nicht synchronisiert sind, sowie das hohe Fehlerrisiko und die begrenzte Zahl und Dauer möglicher Abfertigungen.

Eine automatisiert arbeitende Rangierlok kann eine gute Möglichkeit sein, diesen Herausforderungen zu begegnen: Das im Forschungsprojekt entwickelte digitale Dialogsystem RT40 bündelt Informationen aus verschiedenen Quellen zu einem Rangierauftrag. Das System kann zukünftig die Kommunikation zwischen dem Dispositionssystem, dem Fahrdienstleiter und der Rangierlokomotive ersetzen. Der Rangierauftrag, der u. a. den eingestellten Fahrweg, die Zugdaten sowie die durchzuführenden Rangiertätigkeiten (z. B. Kuppeln) enthält, wird über weitere digitale Module an die am IFZN entwickelte Steuerungseinheit der Lok, die ADCU (Autonomous Decision and Control Unit), übertragen.

Für die Ausführung der Rangieraufgabe erstellt die ADCU auf Grundlage der Daten aus dem Rangierauftrag eine virtuelle Karte des von der Leitstelle eingestellten Fahrwegs. Ein Ortungsmodul ermittelt die aktuelle Position der Lok. Mithilfe dieser Daten kann die Lokomotive in der virtuellen Karte verortet werden und entsprechende Fahranweisungen (z. B. bremsen, beschleunigen) generieren. Die Spitze der Lok ist mit einer am IFZN entwickelten Sensorbox zur Fahrwegüberwachung ausgestattet. Mögliche Hindernisse im Fahrweg wie Personen oder falsch abgestellte Wagen können so erkannt und an die Steuerungseinheit ADCU weitergeleitet werden, die unter Berücksichtigung weiterer Daten (u. a. aktuelle Geschwindigkeit, Breite des Lichtraumprofils, Gewicht und Länge des Zuges) beim Erkennen eines Hindernisses im Fahrtweg eine Bremsanweisung initiiert.

Die im Projekt entwickelten Systeme wurden umfangreich sowohl in der Simulation als auch im realen Testfeld am JadeWeserPort in Wilhelmshaven erprobt: Die automatisierte Lok bewältigt diverse Rangieraufgaben von der einfachen Rangierfahrt zu einem Zielpunkt über das Ansetzen an entsprechende Wagen bis zur Fahrt mit gezogener oder geschobener Einheit. Damit ist erwiesen, dass der so genannte Demonstrator, eine mit der beschriebenen Technologie ausgestattete Lokomotive, in die bestehende Infrastruktur und die bestehenden Prozesse am JadeWeserPort eigebunden werden kann. Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verlagerung des Güterumschlags vom Hafenhinterlandverkehren auf die Schiene und damit zur klimaneutralen Gestaltung von Mobilitätsprozessen.

„Wir freuen uns sehr, dass wir die Entwicklung und Erprobung der automatisierten Rangierlokomotive am JadeWeserPort maßgeblich mitgestalten durften und mit unserer Kompetenz im Bereich der automatisierten Schienenfahrzeuge einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung innovativer und nachhaltiger Mobilitätslösungen leisten können“, sagt Singer.

Das Institut für Fahrzeugtechnik (IFZN) der Technischen Hochschule Nürnberg kooperierte in dem Verbundvorhaben gemeinsam mit der JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG und der Container Terminal Wilhelmshaven JadeWeserPort-Marketing GmbH & Co. KG., der Westfälischen Lokomotiv-Fabrik Reuschling GmbH & Co. KG, der dbh Logistics IT AG, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. und dem TÜV Rheinland. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen der Förderrichtlinie Innovative Hafentechnologien (IHATEC) gefördert und feierte Ende 2023 seinen erfolgreichen Abschluss.

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