Kommunikation ist alles und in Corona-Zeiten eine echte Herausforderung. Denn Gespräche von Angesicht zu Angesicht, Beratung mehrerer Menschen gleichzeitig oder gar ganze Konferenzen – nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Stattdessen müssen digitale Formate her, die Datenschutz-konform, sicher und von guter Qualität sind. Das SOS- Kinderdorf Nürnberg hat sich das so genannte „Digital Counseling“, also eine Beratung via digitaler Medien, ganz oben auf die Prioritätenliste geschrieben.
Zwischen 65 und 85 Teilnehmende zählt die Maßnahme „BVB-Kombi“ für das SOS-Kinderdorf Nürnberg, das 2021 seinen 35. Geburtstag feiert. Normalerweise kommen zwei Berater*innen der Agentur für Arbeit an einem Tag ins Nürnberger Berufsausbildungszentrum, um mit je rund 30 Teilnehmer*innen über den Stand der Maßnahme oder Ausbildung zu sprechen. Ein echter Beratungsgesprächs- Marathon war das oft, sagt Bildungsbegleiter Marcel Gläser. „Aber wegen Corona können die Gespräche so nicht stattfinden.“ Er suchte zusammen mit Einrichtungsleiterin Christiane Stößel und dem QM-Beauftragten Ulrich Endner nach schnell umsetzbaren Lösungen.
Der erste Sprechtag im März fand erstmals komplett digital statt. Via MS-Teams wurden die jungen Männer und Frauen zu Einzelgesprächen gebeten. Der Stand der beruflichen Orientierung, bei Bewerbungen oder im Praktikum steht bei der Beratung im Mittelpunkt. Aber auch das Erreichen diverser Förderziele und mögliche Probleme.
Für Agentur für Arbeit-Beraterin Heike Rohr war es eine neue, aber durchaus positive Erfahrung, sich virtuell gegenüber zu sitzen: „Ich fand es super, die Jugendlichen endlich einmal wieder zu sehen. Sie sind schon durch Corona abgehängt und im luftleeren Raum gefangen. Da ist es gut, ihnen zu zeigen, ich bin da. Ich schaue nach dir!“ Positiv seien auch ganz praktische Dinge, ergänzt Marcel Gläser: dass der Weg wegfällt, dass man Gespräche nicht an einem einzigen Tag anberaumen muss. Die Beratung solle aber, sobald dies möglich ist, wieder vor Ort im Berufsausbildungszentrum stattfinden, sagt Heike Rohr. Gerade ein erstes Kennenlernen zwischen Agentur-Berater*in und Teilnehmer*in, aber auch ein Krisen-Gespräch sei in Präsenz zielführender. „Das Digital Counseling wird uns dennoch erhalten bleiben, denke ich. Es ist ein gutes Instrument, um schnell und effizient zusammen zu kommen“, so die Berufsberaterin.
Corona macht nicht nur die Präsenz-Termine mit der Agentur für Arbeit zunichte. Wenn der Schuh drückt, Teilnehmende psychologische Hilfe brauchen, dann ist Psychologe Jacques Puyplat zur Stelle. Doch der 51-Jährige gehört zur Hochrisiko-Gruppe und konnte seit Beginn der Pandemie nur noch per Skype konsultiert werden. Fast alle Teilnehmer*innen im BAZ haben ihre Erfahrungen mit Video-Telefonaten per Whatsapp. „Ich habe auch schon mit Freunden geskyped“, sagt Teilnehmerin Aysima Sarigöz, die sich bereit erklärte, solch ein digitales Gespräch auszuprobieren, „um mal herauszufinden, wie sich das überhaupt anfühlt“, so Gläser.
Im ersten Moment sei es komisch gewesen, den ihr unbekannten Mann auf dem Monitor zu begegnen. „Aber es ist besser, als nur am Telefon“, meint die 18- Jährige. Gut fand sie, dass „man die Reaktionen des anderen auch sieht!“ Auch Jacques Puyplat empfand das Gespräch als angenehm. „Ich muss mich natürlich ganz anders auf die zu Beratende einstellen. Wir haben keinen Raum, in dem man sich wohlfühlen kann, ich habe keine Möglichkeit mit meiner Körpersprache groß zu agieren, um Vertrauen aufzubauen. Man sieht ja nur einen kleinen Ausschnitt des anderen.“ Dies sieht der Puyplat als Herausforderung: „Manchmal kann solch eine Distanz auch hilfreich sein für einen jungen Menschen, der noch nie mit einem Psychologen zu tun hatte.“
Wichtig für ein gelingendes Gespräch ist die Technik: ein funktionierendes Headset, eine Kamera, gutes WLAN – und ein ruhiger Raum, in dem die Teilnehmende ungestört ist. „Je besser Kamera und Ton sind, umso sicherer fühlt sich der Teilnehmende“, sagt Berufsbegleiter Marcel Gläser, selbst ausgebildeter Fotograf. „Die Licht- und Tonatmosphäre ist wichtig, um sich wohl zu fühlen und entspannt zu sein.“
Zusammen mit der Einrichtungsleitung hat er eine stabile, technische Basis geschaffen: So genannte Terminal-Laptops in einem ruhigen Raum und mit der nötigen Technik ausgestattet, wurden für diejenigen eingerichtet, die nicht über WLAN oder ein passendes Endgerät verfügen. Um den Teilnehmer*innen die Berührungsangst zu nehmen, startete Gläser vor dem Gespräch mit der Arbeitsagentur immer einen Probelauf, überprüfte mit ihnen Kamera und Mikrofon, bis alles funktionierte. „Wir hatten nun auch erste Elterngespräche mit Teilnehmer*in, Eltern, Ausbilder*in und Bildungsbegleiter*in“, sagt Marcel Gläser. Die Resonanz war durchaus positiv. KATJA JÄKEL