Zum Tod von Francis Spear

Am Sonntag, 13. Dezember 2020, verstarb in Hertford / Großbritannien Francis Spear, der letzte Direktor der Firma J. W. Spear & Söhne, die ein wichtiges Kapitel der deutschen und britischen Spielegeschichte geschrieben hat. Als Förderer war Francis Spear dem Spielzeugmuseum wie dem Deutschen Spielearchiv Nürnberg seit langem eng verbunden. 

Aus kleinen Anfängen entwickelte sich der 1879 von Francis Spears Urgroßvater Jacob Wolf Spear in Fürth gegründete und ab 1898 in Nürnberg ansässige Spieleverlag zu einem der weltweit bedeutendsten Unternehmen der Spielebranche. Über Jahrzehnte hinweg produzierte Spear in Franken und am Standort Enfield bei London Spiele wie „Das magnetische Angelspiel“, „Die fliegenden Hüte“ und „Scrabble“, die seit Generationen zu den Klassikern der Spielewelt zählen. 

Francis Alfred Spear wurde am 17. Juni 1931 als zweites Kind von Richard und Gertrud Spear in Fürth geboren. Im Alter von fünf Jahren musste er mit seiner Familie unter dem antisemitischen Verfolgungsdruck des NS-Regimes nach England emigrieren. Während das Stammhaus von J. W. Spear & Söhne „arisiert“ wurde, bildete das Anfang der 1930er Jahre gegründete britische Zweigunternehmen einen Zufluchtsort für viele Mitglieder der weitverzweigten Familie. Elf Familienangehörigen gelang die Emigration jedoch nicht: Sie wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet. 

Nach dem Krieg hatte der Wiederaufbau der Spieleproduktion in England Vorrang, doch auch in Nürnberg wurden in dem restituierten Unternehmen bald wieder erfolgreich Spiele für den deutschen Markt hergestellt. 1984 wurde die Produktion in Nürnberg aufgegeben. Zehn Jahre später verkaufte Francis Spear – seit 1963 in der Leitung des Familienunternehmens tätig – J. W. Spear & Sons an den Spielwarengiganten Mattel. Im Ruhestand widmete er sich dem Aufbau des Spear’s Games Archive auf seinem Privatanwesen in Hertfordshire. Tatkräftig unterstützt von seiner Frau Hazel, dokumentierte er dort auf vorbildliche Weise das reiche Spieleerbe der Firma. 

Seit Mitte der 1990er Jahre war der familien- und geschichtsbewusste Francis Spear dem Spielzeugmuseum Nürnberg und seinem damaligen Leiter Dr. Helmut Schwarz freundschaftlich verbunden. Er unterstützte zahlreiche Ausstellungs- und Buchprojekte des Museums mit Auskünften, Leihgaben, fachkundigen Übersetzungen und beträchtlichen finanziellen Zuwendungen. Verbitterung oder Schuldzuweisungen wegen des schreienden Unrechts, das seiner Familie in der NS-Zeit zugefügt worden war, lagen seinem ruhigen, nachdenklichen und sozial engagierten Wesen fern. Im Gegenteil: Er freute sich darüber, dass es in seiner früheren Heimat Menschen und Institutionen gab, die sich für die Spiele und die Geschichte seiner Familie interessierten. 

Als es ihm sein fortgeschrittenes Alter nicht mehr erlaubte, sein Spielearchiv weiterhin selbst zu betreiben, war es ihm ein Herzensanliegen, dessen Fortbestand der Stadt Nürnberg anzuvertrauen. Als nobles Geschenk der Spear-Familienstiftung konnte das Deutsche Spielearchiv Nürnberg im Sommer 2017 das umfangreiche Spear’s Games Archive übernehmen. Dieser weltweit einmalige Schatz der Spielekultur mit über 2 000 Spielen und Dokumenten des traditionsreichen Unternehmens hat im Pellerhaus eine neue und dauerhafte Bleibe gefunden. Ganz den Wünschen von Francis Spear und seiner Gattin entsprechend, steht das Spear-Spielearchiv hier in einer Neuaufstellung seit Februar 2018 allen spiele- und stadtgeschichtlich interessierten Besuchern offen unter http://museen.nuernberg.de/spielearchiv/sondersammlungen/spear-archiv/. 

Francis Spear konnte die neuen Archivräume aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr persönlich besuchen. Er erlag am 13. Dezember 2020 in einem Pflegeheim seinem langjährigen Leiden. Die Museen der Stadt Nürnberg werden sich seiner Großzügigkeit stets in Dankbarkeit erinnern. 

Francis Spear im Jahr 2005 mit einem Musterbuch der Nürnberger Spielwarenfabrik Baudenbacher vor dem Spear’s Games Archive in Ware/Hertfordshire. Foto: Helmut Schwarz/Stadt Nürnberg
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