Am 20. November jährt sich der Beginn der Nürnberger Prozesse zum 75. Mal. Gleichzeitig feiert das „Memorium Nürnberger Prozesse“ sein zehnjähriges Bestehen im denkwürdigen Saal 600 des Justizgebäudes an der Fürther Straße. Anlässlich dieser beiden Gedenktage trug sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in das goldene Buch der Stadt Nürnberg ein und besuchte den Gerichtssaal 600. Wegen der Corona-Pandemie fanden die beiden Termine unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am 20. November 1945 begann der „Hauptkriegsverbrecherprozess“ gegen 21 ranghohe Vertreter des NS-Staates im Nürnberger Justizgebäude. Das Militärgericht setzte sich damals aus Vertretern, den vier alliierten Mächten, USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, zusammen. Der Prozess dauerte fast ein Jahr – er endete am 1. Oktober 1946. Es wurden zwölf Todesurteile gefällt, drei lebenslange und vier langjährige Freiheitsstrafen ausgesprochen. Bis zum 14. April 1949 folgten daraufhin die „Nürnberger Nachfolgeprozesse“.
Am 20. November 2020 begeht die Institution „Memorium Nürnberger Prozesse“ ihr zehnjähriges Bestehen. Mit der Eröffnung dieses Memoriums hat die Stadt Nürnberg 2010 einen wichtigen Baustein in der Erinnerungskultur zur Aufarbeitung des NS-Regimes gelegt. Die Einrichtung versteht sich dabei nicht allein als ein Ort der Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte, sondern auch als einer, an dem Weltgeschichte geschrieben wurde.
Der Erinnerungsakt fand im Saal 600, dem historischen Ort der „Nürnberger Prozesse“ statt. Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Marcus König, der den Standpunkt vertrat, dass die Idee des Völkerstrafrechts zusehends schwieriger zu realisieren sei: „Angesichts dieser komplexen internationalen Situation ist es der Stadt Nürnberg ein wichtiges Ziel, sich zu positionieren und zu informieren. Sie bekennt sich als Stadt des Friedens und der Menschenrechte aber nicht nur zu ihrer eigenen Rolle im nationalsozialistischen Deutschland“. Er fuhr fort: „Es ist der Stadt Nürnberg ein herausragendes Anliegen, die Idee des Völkerstrafrechts auch weiterhin am Leben zu erhalten, zu seiner Verbreitung und zu seiner Verwirklichung beizutragen. Das ist unser Auftrag“.
Nach dem Oberbürgermeister hielt der Ehrengast, Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier, seine Festrede. Er betonte, dass auf ungekannte Exzesse der Macht mit den Mitteln des Rechts antworten zu wollen, vor 75 Jahren ein Anfang gemacht wurde. Er sieht heute den Internationalen Gerichtshof als Institution. Schwerste Verbrechen nicht zu bestrafen sei fatal: „Diese Botschaft von Nürnberg ist nicht folgenlos geblieben“.
In seinem Grußwort sah Ministerpräsident Dr. Markus Söder Die „Nürnberger Prozesse“ als die Geburtsstunde des Völkerrechts an: „Die Nürnberger Justizpalast atmet Weltgeschichte“. Der Saal 600 trage für ihn eine überragende Rolle bei der Entstehung eines modernen, internationalen Rechtsstaates: „Die „Nürnberger Prozesse“ lehren uns, das kein Staat, keine Regierung, kein Politiker über den Menschenrechten steht. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus haben in Bayern keinen Platz. Wir kämpfen für Toleranz und Respekt und treten jeder Form von Hass, Hetze und Gewalt entschlossen entgegen“. Sein Abschluss-Statement lautete: „Der Staat muss stark und wehrhaft sein. Jeder Angriff gegen jüdisches Leben oder ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger trifft uns. Die Geschichte ist unsere Verpflichtung – im politischen wie im persönlichen Handeln. Jeden Tag!“.
Videobotschaften zu diesem Festakt sendeten der Zeitzeuge und ehemalige Chefankläger im sogenannten Einsatzgruppenprozess, Benjamin Ferencz, Dr. Fatou Bensouda, Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und die vier Außenminister der ehemaligen alliierten Nationen: Michael Pompeo (USA), Dominic Raab (Großbritannien), Jean-Yves Le Drian (Frankreich) und Sergei Lawrow (Russland). Anschließend fand ein Podiumsgespräch mit dem britischen Juristen und Völkerrechtler Prof. Philippe Sands, Prof. Dr. Angelika Nußberger (ehemalige Vizepräsidentin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) und Dr. Christophe Eich (Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes und Völkerrechtsberater der BRD) statt.
Vor der Gedenkveranstaltung im Memorium trug sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rathaus in das goldene Buch der Stadt Nürnberg ein. Sein Wunsch dabei war, dass er sich bei von der Stadt ausgewählten „Helden der Pandemie“, persönlich bedankte. Er führte mit ihnen an einem „runden Tisch“ persönliche Gespräche und hörte sich ihre beruflichen Sorgen und Wünsche in der Corona-Krise an. Die Gespräche sollten die Wertschätzung des Bundespräsidenten für jene Menschen zeigen, die in dieser Zeit von Corona überdurchschnittliches leisten.